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Bangkok für Leib und Seele

Als ich diese Stadt zum ersten Mal erlebt habe, war ich geschockt. Sie erschien mir chaotisch, dreckig, stinkend und zudem voller Bauernfänger, die auf nichts anderes aus sind, als dich abzuzocken. Inzwischen weiß ich nicht mehr, wie oft ich schon dort war und Bangkok ist mir genauso zur Heimat geworden wie Berlin oder Barcelona. Ich liebe es inzwischen!

Mein bevorzugter Kiez ist der Bangrak Distrikt. Ein quirliges Geschäftsviertel mit Bürogebäuden, einer Vielzahl an guten Hotels und Restaurants und einer riesigen Auswahl an Streetfood Ständen. Die Silom und Sathorn Road sind belebte Straßen, auf denen man sich vor lauter Verkaufsständen kaum zu Fuß vorwärts bewegen kann. Dazwischen findest du jedoch ruhige kleine Straßen, die fast dörflich wirken.

Um die Mittagszeit laden dort Dutzende von Garküchen zum preiswerten und leckeren Essen ein.

Gleich um die Ecke gibt es zwei Skytrain Stationen von denen aus sich die Stadt schnell und bequem erkunden läßt. Fahre bis zur Thaksin Brücke und nimm von 1 Samstag, 5. März 2022 dort aus das öffentliche Boot, das dich zu beliebten Destinationen wie Wat Pho, Königspalast und Khao San Road bringt. 

Permanenter Verkehrsinfarkt

Vom Flughafen in die Stadt kannst du noch ein Taxi nehmen. Selbst für diese rund 25 Kilometer wirst du zwischen 45 Minuten und einer Stunde unterwegs sein. Es ist dennoch bequemer, als mit Gepäck mehrfach umzusteigen. Besonders dann, wenn die Züge auch voll sind.

Die Fahrt kostet inklusive der Maut für die Schnellstraße etwa 400 Baht, rund zehn Euro. Manche Fahrer bieten dir einen Pauschalpreis von 500 Baht an, gönne es ihnen. Mehr solltest du jedoch nicht zahlen, auch wenn Limousinentransporte für das Vierfache angeboten werden.

Einmal in der Stadt angekommen, empfehle ich dringend, dich nur noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Sie sind hoch modern, effizient und sauber. Hoffnungslos veralteten Dreck, wie in den europäischen Großstädten wirst du in Bangkok nicht hinnehmen müssen.

Nepper, Schlepper Bauernfänger

Das fröhlich bunte Tuk-Tuk ist nachgerade zu einem Wahrzeichen Thailands geworden. Dennoch kann ich dir nicht guten Gewissens zu einer Fahrt raten.

Als alter Biker bin ich der Meinung, dass Sicherheit nur etwas für Feiglinge und Beamte ist. Allein die Chancen nach einem, noch so minimalen, Unfall unverletzt aus einem Tuk-Tuk zu klettern erscheinen selbst mir als zu gering. Was die Jungs am Lenker obendrein noch im dichten Verkehr anstellen, ließ mir mehr als einmal die Haare zu Berge stehen.

Hinzu kommt die räuberische Gesinnung der meisten Tuk-Tuk Fahrer. Sie werden von dir als, vermeintlich unwissendem, Touristen ein Mehrfaches dessen verlangen, was ein Taxi kosten würde. Oder, sie nennen einen enorm günstigen Kurs und schleppen dich dafür in alle möglichen Ramschläden, weil sie dafür Benzingutscheine bekommen.

Einer dieser Gangster hat ich am Vorabend des Valentinstages mit meiner Freundin in eine Diamantenhölle geschleppt. Einem von jenen Läden, in denen dir weitgehend wertlose Steine zu hohen Preisen angedreht werden sollen. 

Mein einziges Glück war, dass sie keinen Schmuck mochte. Sonst wäre ich dieser Situation nicht ohne schwere emotionale oder finanzielle Verluste entkommen. Als Kapitalistenschwein hätte ich natürlich den emotionalen Verlust gewählt.

Ein Kollege von ihm hat mich, damals war ich allein unterwegs, in ein „Meeresfrüchte Restaurant“ verschleppt. Es gab keine Speisekarte, dafür standen vorne Aquarien zum Aussuchen des, noch lebenden, Schalengetiers. Die Rückseite des Lokals war ebenfalls verglast, dahinter warteten zwei Dutzend Mädchen auf Kundschaft.

Die Preise waren dementsprechend. Doch das Ganze lag in einem Außenbezirk und ich hätte so leicht nicht mehr zurück gefunden. Ich war dem wartenden Tuk-Tuk Ganoven hilflos ausgeliefert. Also habe ich brav gezahlt, was auf der Rechnung stand. Dafür hätte ich auch in London oder Paris einen Hummer bekommen. 

Irdisch spirituell

“Land des Lächelns” wird Thailand genannt. Zu einem guten Teil ist dieses Lächeln durch die vorherrschende buddhistische Haltung geboten. Geboten ist eigentlich schon zu viel gesagt, denn der Buddhismus kennt keine Gebote und nur ganz wenige Verbote. Das meiste sind Empfehlungen nach dem Motto: “Du wirst schon sehen, was du davon hast wenn du es anders machst”.

Als eine von fünf Nationen hat Thailand den Buddhismus der Theravada Schule zur Staatsreligion gemacht. Ich halte wenig vom Staat und noch viel weniger von seiner Verknüpfung mit einer Religion.

In dem Fall ist es allerdings weniger schlimm, denn die buddhistische Philosophie kennt keinen Gott, sondern setzt stark auf die Eigenverantwortung des Einzelnen und die Toleranz und Güte gegenüber anderen Lebewesen. Es schadet auch wirklich nicht, wenn Kinder schon lernen zu meditieren. Sie wachsen damit zu geduldigeren und angenehmeren Mitmenschen heran.

Es wundert mich lediglich, wie die buddhistische Staatsreligion mit der Todesstrafe zu vereinbaren ist. “Christliche” Nationen schaffen diesen Spagat allerdings auch, bei genauso deutlichem Tötungsverbot.

Der Buddhismus vermischt sich mit Resten der alten animistischen Religion. In Bangkok wirst du an jeder zweiten Ecke einen Tempel finden und jedes Gebäude hat seinen Haustempel, in welchem Reis und Früchte als Opfergaben dargebracht werden. Straßenkatzen und Vögel sind gut genährt.

Überall schwebt der Geruch von Räucherstäbchen und bei aller Eile sind die Thai höflich und achtsam. Selbst im übelsten Gedränge in der Stadtbahn, lacht man sich noch an.

Es ist eben so, wie es ist, du kannst es nicht ändern und es wird von ganz alleine vorüber gehen. Also akzeptiere es mit einem Lächeln. Ein grimmiges Gesicht macht alles nur schlimmer, oder? Welch ein angenehmer Unterschied zu europäischen Städten!

Himmlisches Essen

Zu einem anderen Teil wird die gute Laune der Thai sicherlich auch an dem riesigen Angebot geradezu himmlischer Speisen liegen. Auf Schritt und Tritt wird gesotten, gebraten und frittiert, überall mischen sich verführerische Düfte mit den Abgasen den vorbeirollenden Verkehrs.

Die kulinarische Szene spielt sich hauptsächlich auf der Straße ab. Jeder zweirädrige Karren ist ein Restaurant für sich, in engen Durchgängen laden wackelige Klapptische mir bunte Plastikhockern zum Verweilen ein. Teller und Schalen sind aus robustem wiederverwendbarem Kunststoff, das Besteck aus dünnem Metall. In Bangkoks Garküchen herrscht nicht die sonst übliche Wegwerfkultur.

Leider wird dieses Geschirr allerdings ohne fließendes Wasser gespült. Nimm also reichlich Knoblauch, Chili und Ingwer, das sind natürliche Antibiotika. Nicht umsonst wird in tropischen Ländern höllisch scharf gegessen. Es desinfiziert und ich habe vom Essen noch nie Probleme bekommen. Wirklich meiden solltest du jedoch alle Getränke mit nicht industriell hergestellten Eiswürfeln (diese sind an ihrer Größe zu erkennen). Ich habe bisher noch jede Ausnahme von dieser Regel mit ein paar Tagen Beschwerden gebüßt.

Zwei, maximal drei Spezialitäten sind an einem Stand im Angebot und werden frisch vor deinen Augen angerichtet. Wer keine Lust darauf hat, zieht einfach weiter.

Meine erste Mahlzeit habe ich bei meinem letzten Besuch (vor COVID) auf der Convent Road eingenommen, an einem Stand, der nichts weiter bietet als gekochtes Huhn. Überaus köstliches, gekochtes Huhn! Dazu Reis und eine gehaltvolle Brühe, mehr muss ich nicht haben. Die Kosten: rund zwei Euro. Frische Mango oder Ananas danach? Für rund 50 Cent wirst du glücklich gemacht.

Ich bin nun mal ein Foodie und komme daher in Bangkok voll auf meine Kosten. Wenn es mal kein Thai-Food mehr sein soll, bietet der Pat-Pong Distrikt, der ansonsten für Rotlicht und Markenfälschungen berühmt ist, eine Vielzahl fantastischer japanischer und koreanischer Restaurants.

Direkt am Flussufer kannst du auf der Terrasse des Mandarin Hotel fürstlich italienisch speisen, oder im 36. Stock des Pullman Hotels französische Käse und erlesene europäische Weine genießen.

Jedes der großen Hotels hat, hoch über der Stadt, edle Restaurants und Bars zu bieten. In 200 Metern Höhe zu speisen hat schon etwas Erhabenes. Sterneküche mit einem derartigen Ausblick hat Europa einfach nicht zu bieten. Hier ist es das Banyan Tree Hotel. 

Sehenswertes Leben

Vielleicht hast du es schon gemerkt: Ich halte Sehenswürdigkeiten für weit überschätzt, weil ich mir als Kind zu viele romanische und gotische Kirchen ansehen musste. Ich meide sie nachgerade, seit günstige Flüge und Pauschalarrangements dafür sorgen, dass man an diesen Orten nicht recht viel mehr zu sehen bekommet als Horden von geschmacklos gekleideten Menschen.

In Bangkok herrscht überall Gedränge, doch gibt es nur relativ wenige von den überlaufenen “Must Sees”. Bleib dem Königspalast samt Smaragdbuddha fern und quetsch dich nicht barfuß in die Halle des riesigen liegenden Buddhas von Wat Pho. Der Rest der Stadt ist auch einfach wunderschön. Wenn es schon nicht schön ist, ist es wenigstens hoch interessant.

Lass dich einfach durch diese Stadt treiben und erfahre ihre einzigartige Dreidimensionalität, die mich immer wieder fasziniert.

Auf der Straßenebene spielt sich der Kampf ums Überleben ab, der mörderische Verkehr mit seinem Lärm und Abgasen. Mittendrin die Tuk-Tuk Fahrer, Straßenhändler, Garküchen und Bettler.

Wenige Meter darüber läuft der Skytrain. Klinisch sauber, organisiert und klimatisiert werden die Angestellten zur Arbeit transportiert. Auf der gleichen Ebene Shopping Malls, die alles bieten, was das Herz begehren kann.

Teilweise stellen sie einen derart unerhörten Luxus zur Schau, den wir uns als arme Europäer kaum vorstellen können. Wo findest du schon ein Einkaufszentrum, in dem Rolls Royce, Mc Laren und Lamborghini ihre Autos anbieten? Natürlich auch Porsche und BMW für die nicht ganz so Reichen. Auf der gleichen Etage gibt es Steinway Flügel und Stereoanlagen für 250.000 Dollar. Im Erdgeschoß Diamantcolliers für den gleichen Preis.

Darüber türmen sich die scheinbar fragilen Gebilde aus Stahl und Glas. Die Welt der feinen Hotels mit ihren edlen Restaurants und Bars. Der luxuriösen Büros, in denen viel Geld verdient wird. Das Leben der oberen Etagen.

Dort lebe ich, wenn ich in Bangkok bin, wohl bewußt dass ich schon mit meiner Geburt sehr viel Glück hatte und seither noch ein paar richtige Entscheidungen getroffen habe. Wenn du das hier liest, denke ich mal, dass auch du bereits viel Glück hattest. Danke deinem Karma und habe auch du den Mut, die Dinge anders zu machen als die Meisten. Dort zu wohnen, kostet übrigens auch nur etwa so viel wie eine Dreizimmer-Wohnung in Berlin Neukölln. Alles andere als unerreichbar.

Es gibt noch höhere Etagen, doch da muss ich gar nicht hin. Auf der Straßenebene habe ich auch schon gelebt und ich kann dir versichern, dass es nicht so schlimm war, als dass du davor Angst haben müsstest.

Vielleicht ist es das, was ich an Bangkok so liebe. Höhen und Tiefen liegen auf wenigen Quadratmetern eng beisammen. Diese Stadt zeigt dir das Leben auf Schritt und Tritt und es ist überall gleich lebenswert. 

Benedikt Lechner

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