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Das Märchen vom passiven Einkommen

Was wäre die „Finanzielle Freiheit“ ohne das „Passive Einkommen“? Wir stellen uns dazu am besten schneeweiße Strände und Palmen vor, den kühlen Drink in der einen Hand, das Smartphone mit dem fetten Dividendenkonto in der anderen. 

Es ist der alte Menschheitstraum vom Leben im Paradies, vom ewigen Wohlstand ohne Arbeit. Kann er wirklich wahr werden?

Nie mehr arbeiten müssen

Fremdbestimmte Arbeit wird zunehmend als Übel empfunden, das so schnell wie möglich überwunden werden sollte. Dem kann auch ich nur voll zustimmen!

Wie wir im vorigen Artikel gesehen haben, sind viele Menschen bereit dazu, 20 Jahre lang große Entbehrungen auf sich zu nehmen, um möglichst früh mit diesem Kapitel ihres Lebens abschließen zu können. 

Danach sollte das Geld einfach fließen, ohne dass du dich weiter darum kümmern musst. Dafür gibt es ein paar, teilweise alt eingesessene, Patentrezepte.

Was ist Passives Einkommen?

Immobilien

Auf dem alten Münchner Südfriedhof finden sich Grabmäler mit so schönen Berufsbezeichnungen, wie: Brauereibesitzersgattin, Königlicher Hofrat, General der Infanterie und gar nicht so wenige mit „Rentier“. So wurden damals die Besitzer von Mietshäusern genannt. Deren Häuser hießen „Zinshäuser“, nach dem „Mietzins“, den die Mieter monatlich zu entrichten hatten. Der Rentier, ein Angehöriger des Bürgertums, war damit ähnlich gut gestellt, wie der Adel, der vom Ertrag seiner Güter leben konnte. 

Vermietete Immobilien sind seither einer der Klassiker des passiven Einkommens.

Dividenden

Zeitgenossen der Rentiers waren die „Couponschneider“. Das waren die Inhaber von Aktienvermögen, zu Zeiten als die Aktie tatsächlich noch ein Wertpapier war. Den Aktien waren Bögen von Coupons beigefügt, die zur Auszahlung der festgelegten Gewinnanteile berechtigten. Alles, was deren Inhaber tun musste, war einmal jährlich einen dieser Scheine herauszutrennen und bei der Bank einzureichen. 

Der Philosoph Arthur Schopenhauer gehörte zu denjenigen, die von dieser Art passiven Einkommens leben konnten.

Kapitalzinsen

Die sind bei uns zwar seit der Bankenkrise so gut wie ausgestorben, doch in manchen Ländern werden durchaus noch Zinsen bezahlt. Allerdings ist dort auch die Inflation so hoch, dass das Ganze nicht wirklich lohnt.

Neuerdings lassen sich jedoch auch über Crowdfunding und Peer to Peer lending wieder Zinsen verdienen. Mit entsprechenden Ausfallrisiken.

Im Krypto Bereich kannst du mit dem Verleih von Bitcoin & Co. interessante Renditen erzielen. Wen deren hohe Volatilität abschreckt, kann mit sogenannten Stablecoins, die an den Wert des US-Dollar gebunden sind, durchweg zweistellige Zinsen erzielen.

Firmenbeteiligungen

Manche haben das Glück, mit Kapital in eine Firma einsteigen zu können und künftig an deren Gewinnen teilzuhaben. 

Das war es dann auch schon, mit den rein passiven Anlageformen. Alle anderen Einkommensquellen, wie etwa Designs, e-Books, Blogs, Webseiten, etc… setzen voraus, dass man sich diese erst einmal erfolgreich aufgebaut hat. 

Sodann werden alle diese Projekte nicht ohne Updates und Erneuerungen auskommen und erfordern obendrein einen beträchtlichen Marketingaufwand. Ich ordne diese Einnahmequellen daher als reguläres Business ein. Zugegeben wenn es einmal läuft ist der Arbeitseinsatz nicht besonders hoch – so lange es läuft.

Alles eine Frage der Zeit

Mein Freund Alejandro verwaltet, nach 25 Jahren bei Morgan Stanley, die Vermögen einiger spanischer Sportler. Er ist sozusagen ein Vollblut Profi für die Erwirtschaftung von passiven Einkünften. 

Auf meine Frage nach den besten Anlagen und den möglichen Renditen, kam postwendend die Gegenfrage: „Über wie viele Jahre reden wir?“ Als ich meinte, „Am besten für den Rest meines Lebens“, hat er nur laut gelacht. 

Es ist einfach naiv zu glauben, dass du ein Asset für immer und ewig halten wirst und dass es immer die gleichen Renditen abwerfen wird. Natürlich gibt es Dauerbrenner, wie Coca Cola und Nestlé, doch deren Dividenden sind eher mager. Je weniger Kapital du einsetzen kannst, desto häufiger wird es notwendig sein, Risiken neu zu bewerten und Werte in deinem Portfolio durch andere zu ersetzen. 

Wenn du die riesigen Chancen neuer Entwicklungen wahrnehmen willst, steigt der Aufwand für die Analyse und Bewertung enorm. Natürlich auch das Risiko Verluste einzufahren.  

Mein Freund faßt daher neue Technologien und Kryptowährungen nicht einmal mit der Kohlenzange an. Jedenfalls nicht für seine Kunden. 

Passives Einkommen braucht Pflege

Am deutlichsten dürfte der Zahn der Zeit am Immobilienvermögen nagen. Hier wird über einen Zeitraum von Jahrzehnten einiges an Reparaturen und Renovierungsarbeiten auf dich zukommen. Bei den ohnehin mageren Renditen kann allein das schon zum Problem werden.

Ganz zu schweigen von Mieterwechseln, Rechtsstreitigkeiten und Zahlungsausfällen. Auch die Rechtslage ist in Deutschland alles andere als sicher. Vermieter stehen als böse Kapitalisten im Visier der Umverteilungspolitiker und im Zuge der Klimarettung dürften enorme Kosten auf Immobilieneigentümer in Europa zukommen. 

Bei den Aktien sieht es auch nicht viel besser aus, wenn wir über längere Zeiträume reden. Die letzten 20 Jahre ist es gut gelaufen, um so weniger Grund hätten wir daher, allzu optimistisch in die Zukunft zu blicken. 

Wie viele Unternehmen haben es geschafft in den DAX aufzusteigen, wie viele sind noch drin und wie viele davon sind inzwischen ganz von der Bildfläche verschwunden? In 34 Jahren sind immerhin 4 der jeweils 30 DAX Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Dutzende konnten sich nicht im deutschen Firmenolymp halten. Darunter einige Banken und die ehrwürdige Lufthansa.

Dividenden hängen immer vom Geschäftsverlauf ab und wenn die mal nicht so gut laufen, beschließen Unternehmen, auch mal ein Jahr auszusetzen mit der Zahlung. 

Zudem sind die Renditen mit durchschnittlich 3% vor Steuern ziemlich mager.

Dagegen sind meine Zinsen aus Kryptowährungen wesentlich erfreulicher. Dafür ist der Markt allerdings auch noch sehr unreif und volatil. Kurseinbrüche von über 50 Prozent binnen weniger Tage muss man auch erst mal verkraften wollen. Damit halbiert sich nämlich auch mein passives Einkommen. Halte ich zu viel in sogenannten Stablecoins, profitiere ich nicht vom Wertzuwachs der einzelnen Assets und habe außerdem den gleichen Wertverlust durch Inflation, wie beim US-Dollar.

Ich bin sehr optimistisch, was die Krypto-Zukunft betrifft. Dennoch kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Projekte in denen ich derzeit investiert bin, in zehn Jahren auch noch existieren werden. Hier hilft eigentlich nur eines: ich muss mich ständig informieren, über neue Entwicklungen und den Markt auf dem Laufenden halten. 

Hinzu kommt das Ausfallrisiko der Plattformen über die ich investiere. Um mich gegen eventuelle Hacks und Pleiten zu schützen, habe ich Assets über ein halbes Dutzend Unternehmen und Wallets verteilt. Das will natürlich alles verwaltet und kontrolliert werden.

Abschied von einer Illusion

Ich könnte mittlerweile von den Renditen aus meinen Krypto Assets leben, auch wenn diese Einkünfte um bis zu 50% hin und her schwanken. Den Überblick über das Ganze zu behalten, mich zu informieren und die Werte im Portfolio immer mal wieder durch neue zu ersetzen, ist allerdings längst zu einem Halbtags Job geworden. Ich verbringe im Schnitt jeden Tag 3 Stunden mit dem Thema Krypto. 

Dabei habe ich noch ein Riesenglück, dass ich nirgends steuerpflichtig bin. An den zusätzlichen Aufwand, den ich betreiben müßte, um über meine Transaktionen Buch zu führen, möchte ich nicht einmal denken. Ganz abgesehen davon, dass die Erträge nach Abzug von Steuern derzeit nicht mehr ausreichen würden.

So wirklich passiv sind diese Einnahmen daher ebensowenig wie alle anderen. 

Der Traum vom arbeitsfreien Leben am Strand geht nicht auf. Passive Einkommen können vielleicht über einen gewissen Zeitraum ein Selbstläufer sein. Auf lange Sicht gesehen, sind sie jedoch allesamt mehr oder weniger pflegebedürftig. 

Wer sich 20 Jahre lang ein paar Hunderttausend vom Mund abgespart hat, darf deswegen keinesfalls darauf vertrauen, dass er sich nun für den Rest seiner Tage zurücklehnen kann. Jene 4 Prozent Rendite, die dafür sorgen sollen, dass das Geld wirklich bis zum Lebensende reicht, müssen auch erst mal erwirtschaftet werden – und zwar nach Steuern und Inflation! Auch das wird in Arbeit ausarten, oder es war dann doch nichts mit der frühen Rente.

Passives Einkommen mit großen Vermögen

Wer zweistellige Millionenbeträge, oder mehr zum Anlegen hat, kann das von Leuten wie Alejandro erledigen lassen. Bei solchen Vermögen reichen auch die eher mageren Renditen, die sich stabil über Generationen hinweg erzielen lassen völlig aus. 

Diese Art von den Erträgen seines Vermögens zu leben, verdient wirklich die Bezeichnung „passives Einkommen“!

Allen Ärmeren bleibt mal wieder nichts anderes übrig als weiter zu arbeiten. Denn letztlich sind auch der Erhalt und die Verwaltung des eigenen Vermögens schnöde Arbeit. Eine Arbeit, die ich allerdings ganz gern tue.

Leben ohne Inhalt kommt teuer

Gar nichts zu tun, ist nämlich auch nicht so einfach und erfordert ein hohes Maß an Bildung und Disziplin, um nicht in die Abgründe von Verschwendung, Sucht und Depression zu stürzen. Die Boulevardpresse ist voller Geschichten von unglücklichen Stars und Milliardenerben. 

Viele Rentner und Pensionäre stürzen auch erst einmal in eine Daseinskrise, statt ihr, lang ersehntes, Leben in Freiheit zu genießen. Das hängt damit zusammen, dass Arbeit auch Erfüllung sein kann und wenn sie schon keine Erfüllung bringt, füllt sie zumindest deine Lebenszeit aus und gibt deinem Alltag Struktur. Wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, dass ein Leben ohne jede Verpflichtung sehr bald unzufrieden macht. 

Während du arbeitest, hast du auch keine Zeit Geld auszugeben, ein Leben im Müßiggang kommt erheblich teurer als ein Arbeitsleben. Durch das Fehlen einer Lebens-Aufgabe entsteht eine Leere, die ausgefüllt werden muss. Mit Hobbys, Sport, Konsum und Reisen. Im ungünstigeren Fall auch mit Alkohol und anderen Drogen.

Woher ich das alles weiß? Mir ist es selbst so ergangen, nachdem ich mit Ende Dreißig die 4-Stunden Arbeitswoche realisiert hatte. Ich habe mich nicht auf die faule Haut gelegt, sondern alle möglichen Projekte gestartet. Vieles davon hat auch wirklich Spaß gemacht. Doch ohne den sanften Zwang, Erträge erwirtschaften zu müssen, haben mich all diese Aktivitäten am Ende nur Geld gekostet. Sie haben Vermögen vernichtet, statt es zu mehren.

Das fühlt sich nicht nur nicht gut an, es kann auch dazu führen, dass am Ende der finanziellen Freiheit noch eine ganze Menge Lebensjahre übrig bleiben. 

Selbstvertrauen statt Zukunftsangst

Hinter all dem Streben nach finanzieller Sicherheit, dürfte eine gute Portion Angst vor der Zukunft stecken. Ein dickes Polster aus Aktien, Gold und Immobilien soll sie uns nehmen. Das ist leider eine sehr trügerische Beruhigung. Wie wir gesehen haben, steht all das auf tönernen Füßen und die nächste Verwerfung der Weltgeschichte kann dein Vermögen im Handumdrehen vernichten. 

Ein alter Spruch lautet jedoch, dass das Geld niemals weg ist. Es hat nur jeweils jemand anders! Zeiten des Umbruchs, wie wir sie gerade erleben, bergen auch enorme Chancen, ein Vermögen zu machen. 

Diese Chancen wirst du jedoch als passiver Investor garantiert verpassen. Ganz im Gegenteil, dürftest du dich auf der Verliererseite finden. Nur wer sich wirklich schlau macht und ernsthaft mit den Dingen auseinandersetzt, kann aktiv investieren und auch dann gewinnen, wenn alle anderen Verlust machen.  

Überhaupt, lassen sich fundierte Kenntnisse, auf welchem Gebiet auch immer, in Einkommen umsetzen. Je spezieller deine Nische, desto einfacher wird es sein, anderen Menschen mit deinem Wissen weiter zu helfen – und dich dafür bezahlen zu lassen.

Benedikt Lechner

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