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Wer war Herr Ponzi? Kleine Geschichte des Betrugs

Wenn man sich die Geschichte des Herrn Ponzi und seiner Nachahmer ansieht, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Wie naiv können Menschen eigentlich sein, wenn man ihnen hohe Profite verspricht?

Die Masche ist immer die gleiche und die Dummen, die gutgläubig darauf hereinfallen, scheinen ständig nachzuwachsen. Bereits 1920 startete Charles Ponzi ein Investment-System, das Namensgeber für eine ganze Generation von betrügerischen Systemen werden sollte.

Der Vater aller Ponzi-Systeme

1903 wanderte der Italiener Charles Ponzi nach Amerika aus und verspielte bereits auf der Überfahrt sein gesamtes Geld. Bis auf armselige 2,5 Dollar. Nach verschiedenen Jobs entwickelte er in den 1920er Jahren eine unwiderstehliche Geldanlage, die alle 45 Tage 50 % Zinsen für denjenigen versprach, der 5 neue Investoren für das System gewinnen konnte. Man muss kein Hellseher sein, um sich vorzustellen, wie dieses neuartige Angebot im Finanzmarkt einschlug.

Anfang des letzten Jahrhunderts gab es sog. Internationale Antwortscheine für Briefe, die an die jeweilige Währung gekoppelt waren. 

Wegen der Inflation kosteten diese in Europa umgerechnet lediglich 1 US-Cent, waren in den USA jedoch 6 Cent wert. Also warb Ponzi dafür, in diese Antwortscheine zu investieren, verzichtete jedoch darauf die Scheine auch tatsächlich zu kaufen. 

Die Zinsen wurden selbstverständlich mit den Geldern der neuen Investoren bezahlt, wobei die meisten Anleger ihre Gewinne nur allzu gerne reinvestierten. Ein vermeintliches Bombengeschäft, für das so mancher Haus und Hof verpfändete.

Wie so oft, war es das Finanzamt, das mit ein paar Fragen zu seinem neu erlangten Vermögen das Ende des Systems einleitete. 

Die Beamten errechneten, dass aufgrund der Umsätze 160 Millionen Scheine hätten gekauft werden müssen, im Umlauf befanden sich hingegen nur 27.000. 

Insgesamt soll Ponzi innerhalb von nur einem Jahr 15 Mio. Dollar von 40.000 Anlegern erhalten haben. In heutiger Währung entspräche das 210 Millionen, in nur einem Jahr. Und das ohne Internet und Telefon!

Am Ende saß Ponzi dafür knapp 5 Jahre im Gefängnis. Genügend Zeit, um sich den nächsten Betrug auszudenken, diesmal mit Grundstücken. Wie so viele geniale Betrüger starb er dennoch völlig verarmt.

„Ponzi-Schema“ als Sammelbegriff

Mit diesen Machenschaften wurde Charles Ponzi zum Ur-Vater und Namensgeber des systematisch angelegten Finanzbetrugs: „Das Ponzi-Schema“ ist weltweit zum Sammelbegriff für Schneeballsysteme und illegale Pyramidenvertriebe geworden. 

Ponzis moderne Erben

Geschäftsgelegenheit. Wie bei Ponzi wird das eingesammelte Geld aber gar nicht erst investiert, sondern direkt für die Auszahlung von Gewinnen verwendet. Um das Ganze aufrecht zu erhalten benötigt es nur immer mehr neue Anleger. Daher platzt so ein System irgendwann. Immer.

Der Anfang funktioniert jedoch immer noch und wird auf kreativste Weise mit immer neuen Geschäftsmodellen kombiniert. Obwohl es eigentlich offensichtlich ist, glauben die Anleger bis zum Schluss, dass ihr lukratives Investment kein Ponzi-Schema ist. 

Genau genommen funktioniert sogar das deutsche Rentensystem auf diese Art. Es funktioniert nur deswegen schon so lange, weil die Teilnahme daran Pflicht ist.

Jürgen Harksen – Finanzbetrüger und Autor

Einigen von euch ist der Name Jürgen Harksen vielleicht noch bekannt. Harksen machte in den 90ern Schlagzeilen, weil er sich jahrelang vor den deutschen Behörden in Südafrika versteckte. Immer wieder fand er Möglichkeiten, seine Auslieferung hinauszuzögern, bis viele seiner Betrügereien im Jahre 2002 einfach verjährt waren.

Harksen startete seinen Ponzi-Scam 1987, indem er Anleger für Beteiligungen an nicht existierenden Investmentunternehmen warb. Bis zu 1.300 % Rendite versprach er dabei. 

Ganz nach Ponzi-Art zahlte er die Gewinne aus den Einlage der Neukunden. Seine sensationellen Erfolge sprachen sich herum und so zählten immer mehr Reiche und Prominente wie Udo Lindenberg oder Dieter Bohlen zu seinen Kunden. Was natürlich wiederum neue Anleger anzog.

Auf diese Weise nahm er etwa 150 Millionen D-Mark ein. 50 Millionen zahlte er als Gewinne wieder aus. Der Rest, sagt man, ging wohl für seinen überaus luxuriösen Lebensstil drauf. Selbst nach seiner Flucht nach Südafrika 1993, feierte er weiterhin aufwändige Partys und akquirierte fleißig weiter neue Anleger. 

2002 war es dann doch soweit und Harksen wurde nach Deutschland ausgeliefert. Wegen der Verjährung konnte man ihn mittlerweile nur noch für einen Schaden von 30 Millionen D-Mark belangen. So fiel das Urteil mit 7 Jahren Haft relativ milde aus.

2005 verbüßte Harksen seine Strafe bereits im offenen Vollzug und arbeitete als Koch in einem Restaurant. Dieses Privileg wurde ihm jedoch gestrichen, als seine Memoiren „Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm“ als Vorabdruck in der BILD erschienen. Das war der Justiz dann doch zu dreist. Das Oberlandesgericht lehnte seine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung ab und schickte ihn zurück in den geschlossenen Vollzug. Nach Intervention seines Rechtsanwaltes wurde diese Maßnahme bereits am nächsten Tag wieder aufgehoben.

Nach Verbüßung der gesamten Strafe wurde Harksen 2008 endgültig aus der Haft entlassen.

Die Geschichte des Jürgen Harksen amüsiert bei der Vorstellung, dass sich wohlhabende Hanseaten auf eine Geldanlage mit bis zu 1.300 % Rendite eingelassen haben. Man weiß nicht wer gieriger war, Harksen oder seine Anleger? 

Harksen heißt heute Jürgen Smith und lebt auf Mallorca, ich habe ihn dort öfter in seinem Bentley mit Frankfurter Kennzeichen gesehen.

Das mega Ponzi-System des Bernie Madoff

Gegen Bernie Madoff sehen alle anderen Ponzi-Betrüger wie Amateure aus. Als angesehener Wertpapierhändler, Hedge-Fonds Manager und Vorsitzender der NASDAQ war Madoff nicht nur bekannt, sondern auch gut vernetzt in der Branche. 

Anders kann man sich nicht erklären, warum er trotz Meldungen an die Börsenaufsichtsbehörde SEC nie richtig geprüft wurde. Mit 65 Mrd. Dollar Schaden ging sein Unternehmen als das größte Ponzi-System in die Geschichte ein.

Dabei war Madoff überaus erfolgreich gestartet. Zunächst mit Penny Stocks handelnd, war er einer der Pioniere beim Einsatz spezieller Computersoftware für den Aktienhandel. 

Mit dieser Expertise war er sogar beim Launch der NASDAQ beteiligt. Allein aufgrund seiner Vorteile beim Trading hätte er ein seriöses Business aufbauen können. Er entschied sich jedoch bereits Anfang der 90er Jahre dafür, die Kundengelder gar nicht erst anzulegen. 

Selbst über den 11. September 2001 hinaus hielt er seine 2-stelligen Renditeversprechen ein. Während andere Märkte zusammenbrachen, florierte Bernie Madoff. Statt zu kritischen Fragen bezüglich seiner Anlagestrategie, führte das zu noch besserer Reputation.

Fast 20 Jahre lang funktionierte dieser schillernde Scam, bis Investoren 2008 12 Mrd. Dollar von ihren Accounts abziehen wollten. So flüssig war Bernie aber gerade nicht und so wurde sein System enttarnt und brach zusammen.

 Der größte Finanzbetrug der Geschichte zog weitere Konsequenzen nach sich. Verluste durch Diebstahl können meist steuerlich geltend gemacht werden, was riesige Steuerrückzahlungen zur Folge hatte. Versicherungen hatten zusätzlich 1,8 Mrd. Dollar aus speziellen Haftpflichtversicherungen von Fondsbetreibern zu leisten und Finanzmarktaufsichten sahen sich mit Klagen konfrontiert, da sie ihre Kontrollpflichten vernachlässigt hatten.

2009 wurde Bernie Madoff zur Maximalstrafe von 150 Jahren Haft verurteilt. Dennoch muss man sich bei dieser Geschichte fragen, was der größere Skandal war: Dass Bernie Madoff über 20 Jahre unbemerkt 65 Milliarden. Dollar abzocken konnte? Oder, dass ihn die Aufsichtsbehörden trotz deutlicher Hinweise nicht daran gehindert haben?

RevShare-Ponzi mit GetMyAds & Co.

Im Jahre 2015 startete eine Reihe von Ponzi-Systemen, die schnell zum Internet-Hype mutierten. Das super simple GetMyAds war ein RevShare Modell, bei dem Werbetoken für Werbung gekauft werden und für Bannerwerbung eingesetzt werden konnten. 

Auf diese Token gab es über 600 Tage lang täglich 1 % Cashback, die angeblich aus Werbeeinnahmen generiert wurden. Zusätzlich gab es hohe Provisionen für neugeworbene Kunden. Ein Modell, das sich explosionsartig durch alle Alters und Einkommensschichten zog und auch einige Male kopiert wurde.

Mit MyAdsino tauchte bald ein ähnliches Geschäft auf, nur dass hier nicht am Werbemarkt, sondern am Casinomarkt mitverdient wurde. Das Prinzip war vergleichbar. 

Man kaufte StarCoins zum Casinospielen und es gab extrem hohe Cashbacks und Provisionen. Ähnliche Modelle gab es auch unter den Namen AdzBay, TraficNetworkAds oder GetProfitAdz. Bei vielen sah sogar das Backend extrem ähnlich aus. Als Cashbacks wurden zwischen 300 und 600 % versprochen und natürlich (zunächst) auch pünktlich ausgezahlt.

Als die Auszahlungen stockten, hieß es, man habe derart hohe tägliche Auszahlungssummen erreicht, die besondere Compliance-Prozesse notwendig machten. Später waren die Summen dann schon so hoch, dass normale Banken sie nicht mehr bearbeiten konnten. Nach Monaten der Vertröstungen kamen dann natürlich gar keine Zahlungen mehr. 

Neu war dabei vor allem, dass es schnell Klone der Geschäftsmodelle gab. Und nach und nach wurde klar, dass viele der Klone aus demselben Personenkreis um die Namen Michael Schütt, Martin Schranz, Kai Nozaki und Nils Wunsch* entstanden waren. Man hat also die Leute nicht nur 1x, sondern mehrfach abgezockt.

Unternehmen, Firmenkonstrukte und Personen waren in diesen Fällen international so verstreut, dass die Behörden oft an den Grenzen ihrer Zuständigkeiten scheiterten. 

War bei Ponzi, Harksen und Madoff noch klar, wer verantwortlich war, so sind die modernen, anonymen Ponzi-Systeme viel komplexer aufgebaut. Es ist immer noch nicht klar, wer genau bei den RevShare-Modellen verantwortlich ist, doch das Ergebnis ist das Gleiche: das Geld ist weg. Die Ganoven laufen noch frei herum.

Der große OneCoin Crypto-Scam

Zeitgleich mit den RevShare Modellen tauchten auch die ersten Crypto-Scams auf. Der bisher größte war wohl der als „Bitcoin-Killer“ angetretene OneCoin. Geworben wurde mit Wertsteigerungen wie beim Bitcoin, nur dass OneCoin viel besser ist und den Bitcoin zügig ablösen würde.

Offensichtlich existiert jedoch nicht einmal eine notwendige Blockchain für den OneCoin. Geschweige denn, dass der OneCoin irgendeinen relevanten Wert hätte. In diversen Ländern ist OneCoin mittlerweile ohnehin als Ponzi entlarvt und seine Verbreitung verboten. 

Die führenden Promoter des OneCoin befinden sich mittlerweile in Haft oder sind untergetaucht. Wie auch bei den RevShare-Modellen ermitteln im Falle OneCoin zahlreiche Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Welt.

Es muss nicht immer Ponzi sein

Einer der größten Finanz-Scams vor Bernie Madoff war zwar kein Ponzi im eigentlichen Sinne. Da hier aber weltweit über 1 Mio Kunden systematisch abgezockt wurden, möchte ich es zum Schluss nicht unerwähnt lassen. 

Vor allem die Nachkriegsgeneration erkennt unter dem Kürzel „IOS“ die Investors Overseas Services von Bernard Cornfeld. Dieser Scam zog sich von den 60ern bis in die 70er Jahre um die ganze Welt und erfasste sämtliche Einkommens- und Bevölkerungsschichten.

Im Gegensatz zu den Ponzis wurden bei IOS zunächst tatsächlich in Fondsprodukte investiert. Der eigentliche Scam begann, als man eigene Fondsprodukte auflegte und mittels einer Vertriebsstruktur von 25.000 Vertretern an den Mann brachte. 

Jetzt konnte IOS bereits zwischen 20 und 40% der Anlagegelder für Provisionen und Gebühren verwenden. IOS wuchs mit damals etwa 2,5 Milliarden Dollar Anlagegeldern und über 1 Million Anlegern zur größten Fondsgesellschaft der Welt heran. (Komisch, heute kommen einem diese Zahlen lächerlich klein vor…)

International verzweigt und steuervermeidend angelegt war diesem System nur schwer beizukommen. Letztendlich wurde der Niedergang von der SEC eingeläutet, da IOS so ziemlich gegen sämtliche Regeln verstoßen hatte. IOS brach zusammen und damit waren auch die Ersparnisse einer ganzen Generation futsch. Bernie Cornfeld kam nie vor Gericht.

Im Nachhinein fragt man sich natürlich „wie konnten die?“ oder „war das nicht alles offensichtlich“? 

Die eigentliche Frage sollte jedoch eher lauten: „Wie heißt heute jene genial klingende Anlage, der wieder einmal alle blind hinterherrennen?“ 

Das Kapitalistenschwein tippt auf: Juicyfields

Benedikt Lechner

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