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Kaufe keinen falschen Luxus!

In Barcelona wohne ich an der sogenannten “Goldenen Meile“ und wenn ich Brot kaufen gehe, sehe ich Schlangen vor den Ladengeschäften der Luxusmarken. Ganz so, wie woanders Menschen für Brot Schlange stehen. Wir leben in einer verrückten Welt.

Die Eigentümer dieser Luxusläden wiederum zählen zu den reichsten Menschen dieser Welt. Der Franzose Bernard Arnault steht dieses Jahr Platz 3 der Forbes Liste, hinter Elon Musk. Sein Landsmann Francois Pinault immer noch auf Rang 32. Luxusartikel sind ein sehr einträgliches Geschäft.

Mehr scheinen als sein

„Luxus ist jeder Aufwand, der über das Notwendige hinausgeht“, schrieb der Soziologe Werner Sombart und so ähnlich sieht es auch der Duden, der noch immer das letzte Wort in Sachen deutscher Sprache hat. Als Kapitalistenschwein kann ich das nur bestätigen. Auch ich möchte mir, möglichst dauerhaft, Dinge leisten können, die über das Notwendige hinausgehen. Das Bedürfnis nach dem “Sahnehäubchen“ steht hinter allem Streben nach mehr Kapital. Mehr als das “Notwendige“ haben zu wollen ist letztendlich der Motor allen menschlichen Fortschritts. Von der Kochstelle bis zur Toilette mit Wasserspülung. Auch die wäre nicht *notwendig* und vor nur 100 Jahren galt sie noch weitgehend als Luxus. In manchen Weltgegenden ist es noch immer so. Luxus ist ein sehr wandelbarer Begriff.

Sich mehr leisten zu können als der Nachbar ist auch nur eine Seite der Medaille. Es kann nämlich bereits genügen, nur den Anschein zu erwecken, als sei man überdurchschnittlich wohlhabend. Dieser, durch großzügige Werbebudgets geförderte Trend, hat den Kundenkreis der Luxusgüterindustrie in den letzten 40 Jahren exponentiell vergrößert.

Ein „Premium-Auto“ zu fahren, eine Handtasche, oder Armbanduhr eines bestimmten Herstellers zu tragen, lässt viele Zeitgenossen auf manches verzichten, oder verleitet sie sogar dazu, Schulden zu machen. Ganz neu ist das allerdings nicht, denn schon Oscar Wilde schickte folgendes Stoßgebet zum Himmel:

Herr gib mir das Überflüssige, damit ich auf das Notwendige verzichten kann!

Oscar Wilde

Das Streben danach, mehr zu scheinen, finden wir schon im Tierreich. Wenn die Katze einen Buckel macht und Vögel sich aufplustern. Das Gefieder des Pfauen und die mächtige Mähne des Löwen dienen allesamt dem gleichen Zweck. Größer und mächtiger zu erscheinen als man in Wirklichkeit ist, verschafft evolutionäre Vorteile. Kein Wunder, dass auch wir das noch immer so wichtig finden.

Wir verdanken es dem Kapitalismus, dass das jetzt auch noch ziemlich einfach geht. Einfach ein paar hundert Euro für ein Label ausgeben, dieses voller Stolz herumtragen und sich großartig fühlen.

Ich bin unglücklich, also kaufe ich

Reicher aussehen zu wollen, als der Nachbar ist jedoch nur ein Grund. Auch das Streben nach Selbstverwirklichung kann ein Motiv für den Konsum von Luxusprodukten sein. Die arbeitsteilige Welt liefert sehr oft nicht das Gefühl, etwas zu „schaffen“. Wer tagein, tagaus Zahlenreihen addiert, oder Kabel montiert, hat keinen Bezug mehr zum Endprodukt, falls es das überhaupt gibt. Gerade gut bezahlte Tätigkeiten, beschränken sich nur noch auf die Kontrolle und Verwaltung abstrakter Prozesse.

Karl Marx hat durchaus richtig erkannt, dass die Tätigkeit die Bedürfnisse des Arbeiters nicht befriedigt. Sie dient nur als Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen. Würde kein materieller Zwang herrschen, würden nur sehr Wenige arbeiten wollen. Jene Glücklichen, denen Arbeit Erfüllung bedeutet.

Der Kauf von Überflüssigem wird zur Selbstverwöhnung als Ausgleich für Stress am Arbeitsplatz. Oder auch zur Wiedergutmachung für beruflichen Erfolg bzw. auch Misserfolg.

Wer das Glück hat, tatsächlich nicht arbeiten zu müssen, den mag das gleiche Gefühl der Leere befallen. Etwas zu tun, dessen einzigen Sinn man darin sieht, dass jede Stunde bezahlt wird, hat den Gleichen psychologischen Effekt, wie seine Zeit einfach so totzuschlagen. Als ich endlich meine „finanzielle Freiheit“ erreicht hatte, habe ich das selbst erlebt. Es hat eine Weile gedauert, neue Lebensinhalte zu finden und ich habe diese Leere auch mit dem Kauf von Luxusartikeln gefüllt.

Was ist eigentlich ein Luxusartikel?

Das kann im Prinzip jede Sache sein, die besonders sorgfältig und kunstvoll aus den besten Materialien angefertigt wurde. Ein einfache Tonschale erfüllt den gleichen Zweck, wie fein dekoriertes Meißener Porzellan. In die Fertigung Letzteren ist jedoch bedeutend mehr Aufwand geflossen, was es kostbar und kostspielig macht. Vielleicht waren die Porzellanmanufakturen auch die ersten wirklichen Luxusmarken.

Alles andere wurde bis ins vorige Jahrhundert hinein noch handwerklich gefertigt. Louis Vuitton, Namensgeber der wertvollsten aller Marken, kam als mittelloser Tischler nach Paris und gründete eine Werkstatt, in der er wetterfeste Koffer für den Transport auf Kutschendächern fertigte. Sie waren ein Riesenerfolg, heute sind sie bedeutungslos. Doch schon damals wurden sie kopiert, weswegen seine Produkte mit den Initialen LV gekennzeichnet wurden.

Ein paar Jahrzehnte später bewunderte der Hotelpage Guccio Gucci das elegante Reisegepäck der meist adeligen Gäste des Londoner Hotels, in dem er angestellt war. In die heimische Toskana zurückgekehrt, gründete er eine Werkstatt für feine Lederwaren. Die glamouröse Welt der Filmstars ließe seine Produkte in den 1950er Jahren begehrenswert erscheinen.

Um Leder ging es auch im Geschäft von Thierry Hermès. Der gelernte Sattler fertigte feinste Reitartikel und, ebenfalls, Gepäckstücke für die vornehme Pariser Gesellschaft. Die berühmte Handtasche, welche später durch die Schauspielerin Grace Kelly bekannt wurde, entstand 1930, fast hundert Jahre nach der Firmengründung.

Paris war damals wirklich der Nabel der vornehmen Welt, dort wurden auch Coco Chanel, Yves Saint Laurent, Dior, Balenciaga und Balmain als Modeschöpfer berühmt. Alle diese Namen stehen heute für ein Luxuslabel.

Die Macht der Marken

Vom feinen Handwerk ist nicht viel übrig geblieben. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden die Produkte inzwischen durchweg industriell gefertigt. Ganz oft sogar noch in Billiglohnländern. An die Stelle einer herausragenden Qualität, welche Generationen überdauert, ist in den meisten Fällen der Wiedererkennungswert des Labels getreten. Es geht nur noch darum, Kaufkraft zu demonstrieren. Ein feiner Stoff, ist auf Instagram eben nicht als feiner Stoff zu erkennen, auch wenn der Anzug ein kleines Vermögen gekostet hat.

Deswegen druckt man nun einen Namen ganz groß auf ein einfaches T-Shirt, oder ein Paar Plastikschuhe und verlangt einen völlig absurden Preis dafür. Ein weitgehend bildungsferner Kundenkreis, bezahlt ihn gerne. Je teurer, desto besser. Es zählt nur noch der plakative Aussage:

„Hey, isch hab mir ganz krass Gucci gekauft!“ Ich kann mir das leisten, also bin ich jemand.

Das Produkt als solches ist dabei ziemlich unerheblich, es ist allein deshalb begehrenswert weil es leicht wiedererkennbar und als teuer bekannt ist. Im Prinzip ist es egal, worauf die großen Lettern gedruckt sind.

Ein Sweatshirt ist ein Sweatshirt und Sneaker sind Sneaker. Beides sind im Grunde billige Massenprodukte, die ihren intrinsischen Wert allein durch die Bekanntheit der Marke erlangen. Was liegt also näher, als ein paar Plastiklatschen mit einem jener Namen zu bedrucken und das zehnfache des Preises von einfachen Plastiklatschen zu verlangen? Das ist immer noch weit weniger, als das sogenannte Original. Ein gutes Geschäft!

Wenn auch die Originale falscher Luxus sind

Kopien sind zum größten Problem der Luxusmarken geworden, denn es ist nur allzu einfach, ihre Merkmale zu kopieren. Die einst sorgfältige handwerkliche Fertigung ist längst einer industriellen Massenfertigung gewichen und auch Leder und Seide sind schon lange keine Luxusmaterialien mehr.

Der Unterschied zwischen Original und Fälschung verschwimmt. Was auf der Straße angeboten wird, liegt am unteren Ende der Skala, doch in Shenzhen gibt es einen ganzen Markt mit gefälschten Luxusgütern aller Qualitätsstufen. Die wirklich guten „Fälschungen“ sind vom „Original“ nicht mehr zu unterscheiden. Hier sitzt jede Naht und auch die Materialien sind ausgezeichnet. Die Hersteller versuchen sich mit holografischen Aufklebern und RFID Chips zu helfen. Die Blockchain Technologie verspricht Abhilfe zu schaffen, doch solche Merkmale lösen das wirkliche Problem nicht:

Die meisten Luxusgüter sind ihren Preis nicht im entferntesten wert. So nimmt es nicht Wunder, dass wirklich gute “Fälschungen“ gerade in den Kreisen beliebt sind, die sich die „Originale“ problemlos leisten könnten. “Ich bin doch nicht blöd und schmeiße jedes Jahr Zigtausende für Handtaschen und Accessoires raus!“ Die Dame, die mir freimütig gestand, dass es sich bei ihrer “Chanel- Boy Handtasche“ um eine Kopie handelt, ist Multimillionärin.

Das Problem sind nicht die Kopien, sondern Produkte, die nicht wegen ihres Gebrauchswertes gekauft werden, sondern gerade wegen ihres unverschämten Preises. Ich muss immer wieder lachen, wenn ich von den vorgeblichen Milliardenschäden lese, die durch Raubkopien entstehen. In einer Szene eines großartigen Films über die Gucci Familie belehrt Aldo Gucci seine Schwägerin, dass die Raubkopien die beste Werbung für sein Unternehmen seien. Jeder, der sich so etwas kaufe, mache doch Werbung für seine Firma und trage sein Logo durch die Welt.

Reiche Leute stehen nicht Schlange

Gestern habe ich meine Freunde in Monaco angerufen und gefragt, ob sie weiterhin Luxusmarken kaufen. „Klar, tun wir das!“ wir haben bei H, LV und G jeweils eine Person, die für uns zuständig ist und uns benachrichtigt, wenn es gerade mal wieder eine limitierte Auflage bestimmter Stücke gibt. Die lassen wir uns dann nach Hause schicken, oder vereinbaren einen Termin im privaten Showroom, um sie persönlich anzusehen.

Diese limitierten Auflagen sind, neben den Klassikern des jeweiligen Hauses das einzige, was sich zu kaufen lohnt. Natürlich hat die Dame des Hauses eine ganze Wand voller Handtaschen und hat auf keine einzige davon Jahre warten müssen.

Das Schlange stehen vor dem Laden, führt nämlich auch nur zum Eintrag in eine lange Warteliste wenn es um die wirklich berühmten Stücke geht. Diese steigen im Wert, während sich alles andere nur mit ganz viel Glück für ein Drittel des ursprünglichen Preises verkaufen läßt. “Not worth buying!“ sagt mein Freund

Er läßt auch seine Anzüge nicht mehr auf der Saville Row in London, oder von Gucci schneidern, sondern von einer Firma im Internet. Für ein Hemd zahlt er nicht mehr als 80 Euro und seine Leinenhosen gibt es für ganze 50 Euro.

Es lohnt sich nicht

Ich besitze immer noch ein paar Stücke und die werden mich, dank ihrer herausragenden Qualität wahrscheinlich überleben. Auch, weil ich sie sehr selten benutze. Seit ich das Geschäftsprinzip erkannt habe, macht es mir keinen Spaß mehr, mein Geld zum Fenster herauszuwerfen. Das liegt auch daran, dass die Qualität im Laufe der Jahrzehnte stark nachgelassen hat und die Designs immer auffälliger werden. Ich bin weder Gangsta- Rapper, noch jemand, der so aussehen möchte.

Eine Ausnahme mache ich lediglich für bestimmte Armbanduhren. Wird mir eines jener Modelle angeboten, die für die Allgemeinheit unerreichbar sind, weil es auch hier jahrelange Wartezeiten gibt, schlage ich zu. Ich kaufe auch Uhren nicht ganz so gefragter Marken. Es wird langweilig, immer Rolex zu tragen. Andere Marken sind von der Mechanik her viel interessanter und diese Umsätze halten meinen Juwelier bei Laune. Als “Guter Kunde“, bekomme ich dann auch jene Highlights, welche ich sofort mit gutem Gewinn verkaufen könnte. Das tue ich jedoch nicht, denn ich betrachte diese Käufe als Investitionen.

Echter Luxus ist heutzutage diskret und besteht darin, seine Zeit frei einteilen zu können, ortsunabhängig zu sein, oder auch mal einen richtig teuren Wein zu trinken. In einem tollen Hotel zu wohnen und in First oder Business zu fliegen. Ich halte mich an den schönen, langen Satz:

„Verschwende Deine Lebenszeit nicht damit, eine Arbeit zu tun, die du nicht tun möchtest. Nur um von dem Geld, das Du dafür bekommst, Dinge zu kaufen, mit denen Du Leute beeindrucken kannst, die Du eigentlich nicht magst!“

Ich berate Dich gerne auch zum Thema Luxus, wenn Du Dir nicht sicher bist, was sich zu haben lohnt und was nicht. Manchmal fällt die Entscheidung einfach schwer…

Benedikt Lechner

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