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Sei doch nicht so egoistisch!

Monolithischer Egomane

Habt ihr diesen Satz auch schon mal gehört? Ich leider ziemlich oft und zwar meist dann, wenn mich ein lieber Mitmensch dazu bewegen wollte, etwas zu tun, was ich eigentlich nicht tun wollte. Manchmal habe ich dem nachgegeben, manchmal auch nicht. Interessanterweise hat sich niemals einer von den Leuten bei mir bedankt, denen ich nachgegeben habe. Umgekehrt war jedoch auch niemand allzu lange beleidigt.

Was ist eigentlich egoistisch?

Schon bei der Suche nach dem Begriff finden wir eine Reihe unterschiedlicher Definitionen, die einander teilweise widersprechen.

Egoismus ist kein psychologischer Fachterminus, sondern eher eine umgangssprachliche Beschreibung für ein Persönlichkeitsmerkmal. Wenn man einem Menschen Egoismus unterstellt, handelt es sich um eine persönliche Bewertung, die gebraucht wird, um dem anderen Schuldgefühle zu machen und zu erreichen, dass dieser seine Interessen zurücknimmt.

(Stangl, 2022).Egoismus . Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.

An dieser Stelle wird verneint, dass es sich beim Egoismus überhaupt um ein klinisches Phänomen handelt und viele von uns dürften dieser Einschätzung spontan zustimmen. Der Vorwurf ein Egoist zu sein, dient meist der Manipulation. Der Verdacht liegt nahe, dass in diesen Fällen der Manipulierende der eigentliche Egoist ist.

Der gute alte Duden sieht es jedoch so:

Egoismus ist eine Haltung, die gekennzeichnet ist durch das Streben nach Erlangung von Vorteilen für die eigene Person, nach Erfüllung der die eigene Person betreffenden Wünsche ohne Rücksicht auf die Ansprüche anderer; Selbstsucht, Ichsucht, Eigenliebe

https://www.duden.de/rechtschreibung/Egoismus

Zwischen den beiden Definitionen wird das ganze Ausmaß der Verwirrung deutlich, das in unserem Denken bezüglich der Wahrnehmung eigener Interessen und Bedürfnisse besteht. Gegen einen gesunden Selbsterhaltungstrieb und die Neigung für das eigene Wohlbefinden zu sorgen, bestehen in unserer Gesellschaft allerhand Vorbehalte.

„Wo käme man denn hin, wenn jeder zuerst an sich selbst denken würde?“

Ich behaupte mal ganz frech, dass die Welt bedeutend besser aussehen würde. Denn, am Ende sind diejenigen, die am lautesten Altruismus fordern, die gemeinsten Egoisten. Sie versuchen andere daran zu hindern, ihr persönliches Glück anzustreben, indem sie diese rücksichtslos zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren.

Das ganze Geschrei nach sozialer Gerechtigkeit und Umverteilung ist nicht anderes, als der scheinheilige Versuch, diejenigen auszubeuten, die sich noch auf ihre eigene Tüchtigkeit verlassen, um damit ihre Ziele zu erreichen.

Selbstliebe gegen Nächstenliebe?

Das wichtigste Gebot des Christentums lautet:

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

https://www.bibelwissenschaft.de/bibeltext/3.Mose%2019%2C18/bibel/text/lesen/ch/62d8a19d8cbeb2434547c825591d89f1/

Interessanterweise steht das, eher als Nebensatz in einer Reihe von Geboten, die uns heute zum Teil seltsam anmuten. Wie etwa, dass man sich weder Bart noch Haare stutzen solle, oder keine Zauberei treiben soll. Mann soll auch seine Tochter nicht zum Anschaffen schicken. Das steht dort wirklich!

Andererseits ergibt sich ganz klar aus dem Satz, dass die Liebe zum Nächsten gleich dem Ausmass der Liebe zu sich selbst sein soll.

Viele Menschen haben jedoch ein ungutes Gefühl, wenn sie das Wort „Selbstliebe“ lesen. Sie verbinden es mit Egoismus oder Arroganz. Sie haben oft das Bild von einem eingebildeten, egoistischen oder sogar narzisstischen Menschen im Kopf.

Die große Manipulation

Das liegt auch daran, dass Kirche und Gesellschaft eine sichere Methode gefunden haben, um unsere natürliche Selbstfürsorge zu schwächen, oder ganz auszuradieren: Sie bringen uns systematisch bei, uns selbst nicht zu lieben. Die Kirchen schwurbeln um das Thema herum, indem sie die Liebe zu Gott in den Vordergrund schieben. Doch wer sich selbst nicht lieben kann, kann auch niemand anders lieben.

Es ist eine sehr hinterlistige Methode. Sie sagen: Liebt euren Nächsten! Liebt die Menschheit, liebt Gott, liebt die Natur, liebt eure Ehefrau, euren Ehemann, eure Kinder, eure Eltern. Nur nicht euch selbst! Denn wer sich selbst liebt, ist selbstsüchtig.

Menschen, die ihren Wert nicht kennen, werden sich immer unter Wert verkaufen. Das ist überaus praktisch für diejenigen, die sich das systematisch zu Nutze machen. Es hält die unwissende Mehrheit in Abhängigkeit und Unsicherheit.

Daher wird kaum etwas derart klein geredet wie die Selbstliebe. Es heißt: Wer sich selbst liebt, wird zu einem Egoisten. Wer sich selbst liebt, gilt als narzisstisch. Natürlich scheint das auf den ersten Blick auch total logisch zu sein.

Doch das genaue Gegenteil trifft zu: dem Narzissten fehlt es völlig am positiven Selbstbild.

Narzissmus ist fehlende Selbstliebe

Aristoteles sagt: “Erkenne dich selbst“, Buddha lehrt uns ständige Selbstbeobachtung. Ein gesundes Selbstwertgefühl entspringt daraus, dass wir uns selbst bedingungslos akzeptieren. Diese Akzeptanz setzt jedoch voraus, dass wir uns unserer selbst bewusst sind. Dass wir uns kennen, mit all unserer Pracht und Herrlichkeit, ebenso wie mit unseren Schwächen und Hässlichkeiten. So sind wir und es ist gut so. Wer liebt, nimmt den Anderen so an, wie er nun mal ist. Auch uns selbst.

Eine andauernde Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis sorgt automatisch dafür, dass wir bewusster handeln und damit immer besser mit unseren Mitmenschen zurecht kommen. Das wiederum sorgt für eine tiefe innere Zufriedenheit. Dem Narzissten fehlt diese Einsicht, er ist nicht fähig sich selbst so zu sehen, wie er ist. Daher kann er weder sich selbst, noch irgendeine andere Person lieben.

Es gibt zwei verschiedene psychologische Ansätze das zu erklären. Wie immer liegen alle Fehler in der Kindheit. Der kleine Narzisst hat entweder zu viel Bestätigung von seinen Eltern bekommen und hat sich daran gewöhnt, im Wortsinn, für jeden Scheiß gelobt zu werden. Die Umwelt sieht das anders und verweigert ihm diese übertriebene Anerkennung. Oder das Gegenteil war der Fall und er hat zu wenig Liebe und Anerkennung erhalten, deswegen tritt er als Erwachsener umso lauter auf.

Alles für den schönen Schein

Der Narzisst wird immer die Anerkennung durch seine Mitmenschen über ein gutes Image anstreben. Nichts ist ihm so wichtig wie der Schein, auch sich selbst gegenüber. Er wagt es nachgerade nicht in den Spiegel der Selbsterkenntnis zu blicken. Daher hat der Narzisst hat eine übertriebene Vorstellung von der Bedeutung seiner Person und nimmt seine Umwelt verzerrt war. Er ist deswegen extrem unsicher und verletzlich. Tragischerweise fällt es ihm gerade durch dieses ständige Umgarnen der Anderen ziemlich leicht, deren Wertschätzung zu erreichen.

Narzissten scheinen charmant und selbstsicher zu sein und beherrschen die ganze Klaviatur der Manipulation. Deswegen finden wir besonders viele narzisstische Persönlichkeiten in der Politik, jedoch auch in den Führungsetagen der Wirtschaft. Sie sind keine angenehmen Menschen und der Umgang mit ihnen, kann viel Leid verursachen.

Sie sind Meister der Täuschung Lüge und das Wohl ihrer Mitmenschen bedeutet ihnen nur so viel, als sie dem eigenen Image nicht schaden wollen. Narzissmus ist eine schwer zu erkennende Persönlichkeitsstörung, die mit einen dauerhaften Egoismus einher geht.

Hier findet ihr ein paar, durchaus amüsante, Beispiele dieser Spezies Mensch:

Der einfache Egoist hingegen, wird sich nur in bestimmten Situationen egoistisch benehmen. Egoismus ist keine Krankheit sondern ein situationsbezogenes Verhalten. Du wirst jemanden für egoistisch halten, der eine Packung Pralinen alleine gegessen hat, ohne dich zu fragen, ob du nicht auch eine möchtest. Vielleicht hat er jedoch nur einfach nicht daran gedacht, oder er hatte tatsächlich keine Lust dazu, auf eines der leckeren Dinger zu verzichten. Nicht einmal das macht ihn zu einem schlechteren Menschen, denn es besteht immer noch ein gewaltiger Unterschied darin seine Pralinen allein essen zu wollen und anderen ihre Pralinen wegzunehmen.

Egoismus wird erst dann problematisch, wenn das egoistische Verhalten anderen Menschen schadet. Wer sich, ohne zu fragen, das letzte Tortenstück nimmt, richtet keinen Schaden an, auch wenn die Mutter böse schaut.

Stehe zu deinen Bedürfnissen

Vielleicht wiegt der Vorwurf, ein Egoist zu sein auch nur deswegen so schwer, weil Egoismus oft mit Narzissmus gleichgesetzt wird. Narzissten, das haben wir gesehen, sind nun wirklich keine angenehmen Zeitgenossen und viele Menschen haben unter ihnen zu leiden.

Trotzdem sollte das kein Grund sein, sich selbst herabzusetzen und das eigene Interesse hintan zu stellen. Der Trieb für uns selbst, für das eigene Überleben und Wohlbefinden zu sorgen ist uns von der Natur gegeben und notwendig. Auch wenn wir nicht mehr mit Zähnen und Fäusten um unser Leben kämpfen, müssen wir einen achtsamen Umgang mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu pflegen. Sonst kommen wir nämlich einfach zu kurz im Leben! Der Wettbewerb um das jeweils letzte Tortenstück ist groß. Wer immer anderen den Vortritt läßt, bekommt es nie.

Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du ohne ihr!

Volksmund, daher grammatikalisch nicht ganz korrekt

Wie geht es mir gerade? Was brauche ich? Wie kann ich mich gut um mich selbst kümmern? Dies ist der Punkt, an dem Selbstliebe eng verwoben ist mit Selbstverantwortung. Denn wenn ich mich selbst liebe und wertschätze, muss ich mich auch selbst darum kümmern, dass es mir gut geht.

Ich darf meine Bedürfnisse nicht einfach vor meinen Mitmenschen auskippen und von ihnen erwarten, dass sie sich schon darum kümmern werden. Das ist eine ungesunde Erwartungshaltung. Sie führt dazu, dass ich unglaublich sauer und enttäuscht durch die Welt gehe und alle anderen des Egoismus bezichtige. Nur weil sie mir meine Wünsche nicht von den Augen ablesen.

„Wer bittet, dem wird gegeben werden!“ Auch das steht in der Bibel, doch es scheint, dass manchen Zeitgenossen schon das Bitten zu mühsam ist.

Sei dein eigener bester Freund

Sicher stehst du deinen Freunden wohlwollend gegenüber und schätzt sie. Du wirst immer das Beste für sie wollen und wenn du siehst, dass sie gerade auf dem Holzweg sind, wirst du auch mal ein ernstes Wort darüber verlieren.

Sei dir selbst ein solcher Freund, der dir bei allem was du tust über die Schulter blickt. Beobachte deine Handlungen und versuche zu erkennen, ob du anderen Schaden zufügst, wenn du deine Ziele verfolgst. Das solltest du auf jeden Fall vermeiden, denn es führt nicht zur Zufriedenheit. Auch wenn es vielleicht einen kurzfristigen Vorteil verschafft.

Wenn wir dagegen anderen Menschen Gutes tun, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, wird uns das mit tiefer Zufriedenheit erfüllen. Es führt dazu, dass wir uns noch mehr akzeptieren und das wiederum wirkt unglaublich anziehend auf andere Menschen. Das Gute, das wir anderen spenden kommt so vielfach zurück. Dieses zufriedene Ruhen in sich selbst, ist das genaue Gegenteil vom lauten Schein eines Narzissten.

Wer für sich sorgt, kann auch für andere sorgen

Nur wer sich selbst liebt, ist auch dazu fähig andere lieben. Das Gleiche gilt für das Materielle. Nur wer auf einem soliden Fundament steht, kann auch etwas von seinem Wohlstand abgeben und es seinen Mitmenschen zugute kommen lassen. Auch der Altruismus liegt in unserer Natur.

Daher gilt der Grundsatz, dass Eigensicherung der erste Schritt jeder Hilfe zu sein hat, für unser gesamtes Dasein. Was nützt der mutigste Rettungsversuch, wenn Retter und Opfer dabei untergehen? Im Flugzeug wird uns auch eingebleut, zuerst die eigene Sauerstoffmaske aufzusetzen und dann erst anderen dabei helfen.

Denke daher immer zuerst an dich selbst und verfolge deine Ziele, ohne dir deswegen ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Vermeide einfach nur, anderen Schaden zuzufügen und zeige deine Dankbarkeit, indem du hin und wieder etwas abgibst von deinem Reichtum. Freiwillig, von Mensch zu Mensch. Steuern zahlen schafft keine Zufriedenheit.

Wenn du in der einen oder anderen dieser Fragen Zweifel hast, wende dich gerne an mich. Ich bewege mich schon lange jenseits eingeredeter Schuldgefühle und gebe dir gerne den einen oder anderen Tipp in Sachen gesundem Egoismus.

Benedikt Lechner

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