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Tether: Gedeckt oder nicht gedeckt?

Es gab Zeiten, da konntest Du einen beliebigen Betrag auf ein Stück Papier schreiben und Deine Bank damit anweisen, dem Überbringer jene Summe auszuzahlen. Wenn Dein Konto über ein ausreichendes Guthaben verfügte, tat sie das auch. Wenn nicht, war das Papier wertlos. Dann sprach man von einem ungedeckten Scheck.

Der Stablecoin US- Tether Dollar kommt mir derzeit vor, wie ein solcher Scheck. Es stehen knappe 66 Milliarden darauf, es handelt sich um die drittgrößte Kryptowährung und niemand (die Macher von Tether natürlich ausgenommen) weiß, ob die Summe tatsächlich durch liquide Vermögenswerte in dieser Höhe gedeckt ist.

Was ist ein Stablecoin?

Noch immer wollen viele Banken nichts mit Kryptowährungen zu tun haben und unterstützen den Handel damit nicht. Vor einigen Jahren war diese Haltung noch viel dramatischer, so dass es notwendig war, eine digitale Währung zu schaffen, die den Wert eines US-Dollar abbildet und als universelles Tauschmittel eingesetzt werden kann.

Der US- Tether Dollar war der erste erfolgreiche Vertreter dieser Gattung. Er wurde Ende 2014 von der Tether Holdings Ltd. aufgelegt. Die Firma nimmt Dollar von Leuten ein, die mit Kryptowährungen handeln wollen, und schreibt ihren Wallets im Gegenzug die gleiche Menge an Tethers gut.

Mit diesen Tethers, kann man an Krypto Exchanges handen und auf die Preisentwicklung von Bitcoin, Ether oder Tausenden von anderen Coins spekulieren. Rein theoretisch sollte Tether Holdings diese eingenommenen Dollars, so anlegen, dass jederzeit zurückgezahlt werden können. Für jeden zurück gezahlten Dollar wir ein Tether vernichtet, für jeden eingenommenen Dollar, ein neuer Tether herausgegeben.

Warum Stablecoins so wichtig sind

Inzwischen wird ein Großteil des Handels an den Krypto- Börsen in Stablecoins abgewickelt, da sie sich einfacher bewegen lassen als Fiat- Währungen wie Dollar und Euro. Auch wer seine Handelsgewinne vor der brutalen Volatilität des Marktes schützen will, parkt sie in Stablecoins.

Auch wenn Stablecoins nur einen kleinen Teil des gesamten Krypto- Marktes ausmachen, hängt der Handel und damit die Liquidität dieses Marktes stark von ihnen ab. Die Marktkapitalisierung von Tether in Höhe von mehr als 66 Milliarden USD beträgt zwar nur etwas mehr als ein Zehntel der gemeinsamen Marktkapitalisierung von Bitcoin und Ether, doch das tägliche Handelsvolumen ist höher als der Umsatz der beiden zusammen.

Ohne Tether, oder zumindest ohne Stablecoins, wäre die Liquidität des Krypto- Marktes stark beeinträchtigt. Eine gesunkene Liquidität wiederum würde einen starken Preisverfall aller Krypto- Assets nach sich ziehen.

Hinzu kommt, dass viele Börsen und Plattformen Tether und andere Stablecoins als Sicherheiten für Darlehen akzeptieren. Schon der Zusammenbruch des US-Terra Coins hat eine Anzahl solcher Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten, bis zum Konkurs gebracht und dabei hatte Terra nur knapp ein Viertel des Gewichts von Tether.

Es wäre wie ein schweres Erdbeben

Ein Zusammenbruch des wichtigsten Stablecoins käme einem schweren Erdbeben gleich, welches viele weitere Krypto- Börsen und Rendite- Plattformen in Trümmer legen würde. Zu einem Zeitpunkt, in dem das Vertrauen in Krypto- Werte ohnehin schon extrem gesunken ist, mag ich mir die Folgen eines solchen Ereignisses gar nicht ausmalen.

Auf der anderen Seite wäre es wünschenswert, dass es bald passiert denn ein solches Beben würde den unseriösen Praktiken von Firmen wie Tether ein Ende setzen und eine gewisse Form der Regulierung nach sich ziehen. Das würde das Vertrauen in Krypto- Werte auf Dauer stärken.

Wie wahrscheinlich ist es nun, dass so etwas passiert? Das ist sehr schwer zu sagen, denn die Firma hat sich in der Vergangenheit schon öfter spektakulär aus der Affäre ziehen können.

Transparenz ist ein Fremdwort

Im Gegensatz zu den Konkurrenten USDC von Circle und BUSD von Pax weigert sich Tether seit Jahren, seine tatsächlichen Vermögensverhältnisse offenzulegen. Es existieren auch keinerlei Audits von Wirtschaftsprüfern, sondern lediglich “Testate“ einer Steuerberaterfirma auf den Cayman Inseln.

Auch wenn sie sich auf der Firmenwebsite transparent geben, bleibt völlig im Dunklen welche Assets, wo gehalten werden.

Quelle: https://tether.to/en/transparency/#reports

Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass 14% der Reserven in anderen Kryptowährungen, Unternehmensanleihen und gesicherten Darlehen angelegt sind. Der Großteil von 86% steckt in “Bargeld, Bargeldähnlichen Anlagen und Wertpapieren“.

Davon sind auch wieder ein große Anteile in Geldmarktfonds und eben jenen ominösen Wertpapieren angelegt. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich dabei um hoch riskante Anleihen an chinesische Unternehmen in der Größenordnung von rund 16 Milliarden Dollar handelt. Auch der inzwischen insolventen Plattform Celsius sollen Darlehen in Milliardenhöhe gewährt worden sein. Tether dementiert all das vehement, doch bleibt den Gegenbeweis, wie immer, schuldig.

Sicher ist laut ihrer eigenen Aussage nur, dass von den 66 Milliarden tatsächlich nur ganze 3,3 Milliarden (5,81%) auf Bankkonten liegen.

Quelle: https://www.circle.com/en/usdc#transparency

Zum Vergleich: Mitbewerber Circle hält 13,1 Milliarden (22%) seiner 54 Milliarden Kapitalisierung in Sichteinlagen und zwar bei der New York Mellon Bank. Den Rest in kurzfristigen US- Staatsanleihen. Diese lassen sie unter anderem von Black Rock verwalten. Natürlich gibt es für jedes Quartal Testate und ein jährliches Audit. Zusätzlich hat Circle für einen geplanten Börsengang alle Berichte der Börsenaufsicht eingereicht.

Ein echter Wirtschaftskrimi

Eine Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft des Staates New York ergab, dass Tether spätestens ab Mitte 2017 keinen Zugang zu Bankgeschäften auf der ganzen Welt hatte und daher entgegen seinen Zusicherungen zeitweise keine Reserven zur Deckung der im Umlauf befindlichen Tether in Höhe von einem Dollar für jeden Tether hielt.

Angesichts der anhaltenden Fragen, ob das Unternehmen tatsächlich über ausreichende Mittel verfügte, veröffentlichte Tether 2017 eine selbsternannte „Überprüfung“ seiner Bargeldreserven, die es als „gutgläubiges Bemühen unsererseits, eine Zwischenanalyse unserer Bargeldposition zu erstellen“ bezeichnete. In Wirklichkeit war das Bargeld, mit dem Tether angeblich ausgestattet war, jedoch erst am Morgen der „Überprüfung“ des Unternehmens auf das Konto von Tether eingezahlt worden.

Am 1. November 2018 veröffentlichte Tether eine weitere selbsternannte „Überprüfung“ seiner Bargeldreserven, dieses Mal bei der Deltec Bank & Trust Ltd. auf den Bahamas. Die Ankündigung bezog sich auf ein Schreiben vom 1. November 2018, in dem es hieß, dass Tether vollständig durch Bargeld gedeckt sei, und zwar mit einem Dollar für jeden Tether. Doch schon am nächsten Tag, dem 2. November 2018, begann Tether, Gelder von seinem Konto zu überweisen, so dass schließlich Hunderte von Millionen Dollar von den Bankkonten von Tether auf die Konten der Exchange Bitfinex verschoben wurden. Und so waren Tether ab dem 2. November 2018 – einen Tag nach der letzten „Verifizierung“ – wieder nicht mehr eins zu eins durch US-Dollars auf einem Tether-Bankkonto gedeckt.

Im Zuge des Verfahren wurde klar bewiesen, dass die Verantwortlichen eines milliardenschweren Unternehmens glatt gelogen haben und dies weiterhin tun. Dennoch wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 18,5 Millionen Dollar eingestellt. Das Geschäft läuft weiter, als wäre nichts gewesen.

Es ist ein gutes Geschäft. Wenn die Betreiber nämlich auch nur 1% Rendite aus den 60 Milliarden Kapital erwirtschaften, sind allein diese zusätzlichen 600 Millionen pro Jahr eine Menge Holz für eine Firma mit nur 50 Mitarbeitern.

Too big to fail?

Der sogenannte Tether FUD (von Fear, Uncertainty and Doubt) geht nun bereits in sechste Jahr und dennoch ist das Geschäftsvolumen in dieser ganzen Zeit stetig gewachsen.

Spekulanten kaufen und verkaufen routinemäßig Hunderte von Millionen von Tethers und betrachten sie quasi als Industriestandard. Wer an den Börsen handelt, hält seine Tethers nur für relativ kurze Zeit und nutzt obendrein Hebelstrategien. Man muss Tether nicht vertrauen, wenn man ihn nur für den Handel braucht und damit viel Geld verdienen kann. Wer möchte da schon allzu viele Fragen stellen?

Es scheint in der Tat so, als würden sich die meisten Teilnehmer des Kryptomarktes, darunter auch einige sehr große und erfahrene, wie FTX Gründer Sam Bankman Fried, nicht um die Risiken scheren. So fließen weiter jeden Monat Milliarden guter Dollars zu einer unregulierten Offshore Firma. Einer Firma die nachweislich Kunden und Banken belogen hat und gegen deren Verantwortliche deswegen ermittelt wird. Niemand weiß, wohin diese Dollars fließen, was damit geschieht und ob man sie im Zweifel jemals wiedersehen wird. Na Servus!

Finger weg!

Auch ich benutze hin und wieder Tether, um einen bestimmten Coin zu kaufen. Doch auch ich halte sie dann nur für Minuten. Länger vertraue ich dem Konzept nicht, denn Tether ist für mich eine ganze Lichterkette von roten Warnlampen. Natürlich kann ich nicht wissen, ob und wann das Ganze platzt, doch allein die Aussicht, dass es passieren könnte, läßt mich gerade während einer insgesamt schwierigen Marktsituation sehr vorsichtig werden.

Eines ist sicher: wenn Tether platzt, reißt er einige Exchanges und Renditeplattformen mit. In einem wesentlich heftigerem Ausmaß als nach dem Kollaps von US-Terra der Fall war. Für mich gilt daher:

  1. US-Tether nicht länger als ein paar Minuten für eine Transaktion halten
  2. Cash- Reserven in USDC und BUSD halten
  3. Nur noch in sehr begrenztem Ausmaß Lending Plattformen nutzen
  4. Keine Coins auf Exchanges halten. Am ehesten vertraue ich noch Binance
  5. Renditen nur noch mit Staking generieren und diese Coins auf einer Wallet halten.

Wenn Tether platzen sollte, purzeln auch die Kryptopreise noch mal um 50%, doch ich glaube nicht, dass das von allzu langer Dauer sein wird. Auf Dauer wird es das Vertrauen in die Krypto- Werte nur stärken, wenn faule Akteure wie Terra und Tether eliminiert werden.

Als altes Kapitalistenschwein glaube ich an die Selbstreinigungskräfte des Marktes. Stay safe, wenn Du wissen möchtest wie, frag mich gerne.

Benedikt Lechner

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