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Total digital, digital totalitär?

Es geht seit geraumer Zeit ein Gespenst um und zwar das einer staatlichen Totalkontrolle mittels einer programmierbaren, digitalen Währung. In der Tat wäre das in letzter Konsequenz etwas, das selbst die kühnsten Fantasien eines Orwell oder Huxley übersteigt. Der Staat wüsste nicht nur bis auf den letzten Cent, wie viel du hast und wofür du es ausgibst. Er könnte dir über Smart Contracts auch noch vorschreiben, wofür du es nicht ausgeben darfst.

Vorerst nur eine Horrorvorstellung

Auch wenn das rein theoretisch denkbar erscheint, ist es weltweit gar nicht so leicht machbar. Einzelne Staaten oder Wirtschaftsräume könnten so etwas zwar für sich alleine durchsetzen, doch in einer vernetzten Welt stellt sich auch immer die Frage der Interoperabilität. Die einzelnen Landeswährungen müssten für jede Transaktion in Echtzeit gegeneinander verrechnet werden. Letztendlich würde das Ganze auch nur wieder darauf hinauslaufen, dass sich eine de-facto Leitwährung, nur eben diesmal in rein digitaler Form durchsetzen muss. Es ist schwer denkbar, dass sich die konkurrierenden Mächte darauf werden einigen können.

Tatsächlich wäre Bitcoin sogar noch am besten als solche Leitwährung geeignet. Keine Nation hätte einen direkten Vorteil davon und seine Volatilität würde bei entsprechend hoher Liquidität stark abnehmen. Die Bitcoin Maximalisten hätten recht damit, dass der Bitcoin der ultimative Stablecoin ist.

Doch nun schauen wir mal, wie weit die Pläne zu digitalen Zentralbankwährungen in den einzelnen Volkswirtschaften gediehen sind.

Wann kommt das digitale Geld in… ?

Japan, immerhin Nummer 3 auf der Liste der größten Volkswirtschaften, hat seine Pläne bezüglich eines digitalen Yen vorerst eingestellt. Nach einer zweiten Testphase im April dieses Jahres, kam die Zentralbank zu dem Schluß, dass die Mehrheit der japanischen Bürger kein Interesse daran hat.

In Japan hat die Bevölkerung weitreichenden Zugang zu vielen kostengünstigen, effizienten Online-Bankdienstleistungen und digitalen Zahlungsmitteln. Darüber hinaus bieten diese Zahlungsportale ihren Nutzern zusätzliche Vorteile wie Cashback und Bonuspunkte. Eine staatlich Kryptowährung könnte damit einfach nicht konkurrieren.

In China, der Nummer 2, wird der Bürger zwar eher weniger gefragt, doch wirklich Zwang ausüben kann die Regierung auch nicht. Es gibt im Land nämlich zwei dominierende private Zahlungssysteme (AliPay und WePay) Deren Macht wollte die Regierung mit ihrer eigenen Digitalwährung Konkurrenz machen.

Doch auch hier fehlt es schlicht und einfach an der Akzeptanz. Auf dem Papier gibt es 260 Millionen e-CNY-Wallets. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die meisten dieser Geldbörsen praktisch leer sind und nicht genutzt werden. Das durchschnittliche Guthaben dieser Wallets liegt bei 3 RMB (weniger als 0,50 $). Die Rückmeldungen aus den letzten Versuchsjahren haben gezeigt, dass der Durchschnittsnutzer nicht das geringste Interesse hat, auf das E-Yuan-System umzusteigen, da es bereits besser entwickelte und bequemere Alternativen gibt.

Hinzu kommt, dass chinesische Banken derzeit schon genug Stress haben. Später mehr dazu.

Noch besser sieht die Sache in den USA, der Nummer 1, aus. Auf der Webseite der Federal Reserve lesen wir:

„Die Federal Reserve hat noch keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob sie eine digitale Zentralbankwährung (CBDC) anstrebt oder einführen wird. Wir haben wir die potenziellen Vorteile und Risiken von CBDCs aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf zu erforschen, ob und wie ein CBDC das bereits sichere und effiziente US-Inlandszahlungssystem verbessern könnte.“

Wortwörtlich gibt es hier keinen Plan, während die US-Regierung jedoch durchaus bestrebt ist, ein regulatorisches Umfeld für eine breite Akzeptanz von Kryptowerten zu schaffen. Präsident Biden hat das zur Chefsache erklärt, denn die Federführung bei der dritten digitalen Revolution würde auch dabei helfen die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA zu erhalten. Das Klima in den USA ist insgesamt Krypto- freundlich und damit auch eher gegen die Einführung eines CBDC.

Ähnlich wie in China gibt es auch in den USA eine Reihe von privaten Bezahldiensten, die sich großer Beliebtheit erfreuen und über das Instrument des politischen Lobbyismus bedeutenden Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen werden.

Mit Hilfe der Blockchain Technologie werden sich weitere solcher Dienste entwicklen und durchsetzen. Die Schaffung von Stablecoins als digitales Abbild des US- Dollar ist ein erster solcher Schritt. Stablecoins hätten als erste unter der Einführung eines digitalen Dollar zu leiden, denn sie würden in direkter Konkurrenz dazu stehen. Auf der anderen Seite unterstützen die US- Dollar notierten Stablecoins jedoch die weltwirtschaftliche Bedeutung des Dollars. Auf der ganzen Welt werden Krypto-Assets gegen US- Dollar gehandelt. Auch wenn es sich nur um Tether Dollar handelt.

We don‘t need it

Man muss die Briten einfach lieben. Für ihren Humor und den brutalen Pragmatismus, der ihrer Sicht der Dinge zugrunde liegt. Das hatte ein knorriger schottischen Lord zum Thema digitales Pfund zu sagen. Immerhin war er der Ausschussvorsitzende des britischen Oberhauses in einer Untersuchung zu diesem Thema:

„Wir haben eine Reihe von Zeugen befragt und keiner von ihnen konnte uns einen überzeugenden Grund nennen, warum das Vereinigte Königreich eine digitale Zentralbankwährung braucht. Das Konzept scheint ein großes Risiko für sehr wenig Lohn zu beinhalten. Wir kamen zu dem Schluss, dass die Idee eine Lösung auf der Suche nach einem Problem ist.“

Lord Forsyth of Drumlean, Ausschussvorsitzender im House of Lords

Zuletzt, Europa

Die Europäische Zentralbank hat letztes Jahr eine mehrjährige Testphase für den digitalen Euro ausgerufen. Hier geht es nicht mehr so sehr darum, ob eine solche Währung überhaupt eingeführt werden soll, sondern nur noch darum, in welcher Form das erfolgen wird.

Immer mehr private Unternehmen führen ihre eigenen Bezahlformen ein. Als Zentralbank dürfen wir uns nicht von diesen Unternehmen verdrängen lassen. Zugleich wird die Welt digitaler, wir wollen den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine sichere digitale Währung bieten.

Burkhard Balz, Bundesbank Vorstand

Es geht den Eurokraten nicht darum, ob eine digitale Zentralbankwährung wirtschaftlich Sinn macht, sondern lediglich darum, die Hoheit über das Zahlwesen nicht privaten Akteuren zu überlassen. EZB Direktor Fabio Panetta nimmt in dieser Frage gleich Bezug auf den gescheiterten US- Terra Stablecoin, um zu verdeutlichen welche Gefahren von privaten Anbietern ausgehen. Ohne allerdings grundsolide Projekte wie Circles USDC zu erwähnen, welche bereits eine perfekte Koexistenz von Zentralbanken und privaten Systemen demonstrieren.

Der gleiche Mann fordert allerdings auch, die Ausgabemenge des digitalen Euro auf 3.000 Euro pro Person zu begrenzen, damit den Banken nicht zu viel Kapital entzogen wird. Unternehmen, die zwangsläufig mit höheren Beträgen arbeiten müssen, sollen durch “ungünstige Zinspolitik“ dazu angehalten werden, ihre Bestände auf ein Minimum zu begrenzen.

Die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen würde nämlich mit dem Teilreservesystem der Banken kollidieren. Banken würden entweder komplett überflüssig, oder die Kreditzinsen würden durch die Decke gehen, wenn sie kein Giralgeld mehr schaffen und sich jeden Cent bei der Zentralbank leihen. müssten. Das ist der Hintergrund des Maximalbetrags von €3.000 pro Person in Europa, daher rührt das lapidare “We don’t need it” der Briten und die vornehme Zurückhaltung der US-Federal Reserve. Näher darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wer möchte kann dazu dieses Papier des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes lesen.

Willkommen in der Schönen Neuen Welt der Eurokraten. Wir können nur hoffen, dass das alles in einem krachenden Desaster scheitert, wie fast alles, das mit moderner Technik zu tun hat. Wenn die führende Volkswirtschaft Europas es nicht einmal schafft für ein flächendeckendes Mobilfunknetz, oder funktionierende Bahnverbindungen zu sorgen, dürfte auch der digitale Euro nicht mehr als eine Neuauflage der EC- Karte werden.

Unser Mann von der Bundesbank nimmt das bereits vorweg, indem er treuherzig versichert:

Bargeld wird nicht verschwinden. Die Bundesbank wird Banknoten zur Verfügung stellen, solange die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland es wünschen. Bargeld ist geprägte Freiheit, die geben wir nicht auf. Und es hat wichtige Eigenschaften wie Anonymität.

Burkhard Balz, Bundesbank Vorstand

Immerhin scheinen die Herrschaften etwas von China gelernt zu haben. Wenn das Volk etwas partout nicht will, ist es schwer vom Gegenteil zu überzeugen. Der Deutsche liebt sein Bargeld über alles und läßt sich eher viermal pro Jahr impfen, als seine Brötchen mit der Karte zu zahlen.

Bargeld ist geprägte Freiheit

Auch wenn ich selbst alles andere als ein Freund von Scheinen und Münzen bin, muss es eine Form der anonymen Zahlung geben. Sie ist das letzte Bollwerk der Freiheit gegen staatliche Kontrolle und Bevormundung. Daher halte ich die Existenz von Bargeld für bedeutsamer als die Illusion einer parlamentarischen Demokratie.

Beim Geld hört der Spaß auf, doch leider ist es schon fast zu spät dafür, sich darum Sorgen zu machen. Nahezu unser gesamtes Geld existiert ohnehin nur noch in digitaler Form auf unseren Konten. Fast überall gibt es enge Grenzen für Zahlungen mit Bargeld und größere Summen ohne Herkunftsnachweis in Verkehr zu bringen ist ebenfalls fast unmöglich.

Die Totschlagargumente der „Geldwäsche“ und der „Terrorismusfinanzierung“ sorgen für die breite Akzentanz entsprechend kleinlicher Vorschriften. Daher gelingt es nur noch hoch organisierten Kriminellen, ihre Bargeldstände in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Das jedoch völlig problemlos. Der geneigte Terrorist hingegen, finanziert sich inzwischen über staatliche Transferleistungen und klaut seine Tatwaffen in der Küchenabteilung eines Kaufhauses.

Auch Kryptowährungen sind digital

Und damit nahezu völlig gläsern. Seit Silk Road weiß das jeder halbwegs Informierte und sogar die Beute aus sensationellen Millionen- Hacks wird immer wieder schnell aufgespürt und eingefroren. Die totale Überwachung ist bereits jetzt möglich, der Apparat wird nur noch nicht wegen jeder Eierdieberei in Gang gesetzt und es passiert vor allem noch nicht automatisch. Es muss sich bisher noch immer eine Verfolgungsbehörde einschalten.

Letzte Woche haben die US-Behörden den “Tornado Mixer“ Dienst auf die Abschußliste gesetzt. Mit seiner Hilfe war es möglich gewesen, Blockchain Transaktionen zu verschleiern. Niederländische Behörden haben einen Entwickler verhaftet und der, von mir so favorisierte, Stablecoin Anbieter Circle hat 25 mit dem Dienst in Verbindung gebrachte Adressen blockiert.

Letztes Jahr habe ich Kryptowährungen verkauft, um mir eine Immobilie zu kaufen. Natürlich wollte auch meine Bank wissen, woher das Geld kam und ich musste der Compliance Abteilung ein paar Screenshots schicken.

Habt also keine Angst mehr vor der lückenlosen Überwachung, denn sie besteht bereits! Lasst uns nur hoffen, dass sie nicht noch intensiviert wird. Ein paar Best practices und Schlupflöcher gibt es nämlich schon noch, frag mich einfach danach.


Benedikt Lechner

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